Wie es einmal anfing
Fritz W. Franzmeyer
Geschichte der Barkhauser Gastronomie
Als das Postwesen auflebte, wurde Aulhausen zu einem Durchgangsdorf. Die “Alte Poststraße” zeugt davon. An ihr liegen noch die Gebäude des früheren Hofes Amann. Genau dort, an der Landwehr (Lannertstraße!) machten die Kutschen Station. Die Aulhauser Station wird von Anfang an auch den Dorfkrug beherbergt haben, denn schon 1682 heißt es, daß “Johan Liebeking, der Krüger zu Ohlhausen”, der “auch Zöllner allhier” sei, auf Nr. 41 (später Nr. 40) die “Krug Gerechtigkeit” habe. Dass man sich an der Landwehr befand, wird an einem Vermerk deutlich, der Krüger wohne in einem Häuschen, “so ein Turm ist”. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts war der Aulhauser Krug einer von 14 in der “Vogtei Berg und Bruch”. Aber er war ein wichtiger, denn der Krüger war zugleich, zumindest über eine längere Zeitspanne, Zöllner, wenn auch wohl einer nachgeordneten Ranges. Unwichtig kann er aber nicht gewesen sein, denn die Station Aulhausen nahm um 1750 von den sechs größeren Zollstellen des Amtes Hausberge bei weitem am meisten Zölle ein, – die Strecke von Minden nach Bielefeld war offenbar am stärksten befahren. Der Zöllner-Wirt muss anfangs recht oft gewechselt haben. Im Januar 1750 starb, wie das Kapellenbuch berichtet, die Aulhauser “Krug Wirthin” Anna Barbara Christina Sandmanns und im Dezember desselben Jahres der Krugwirt Johann Matthäus Reitz. In einer Akte von 1751 wird erneut ein “Reetz” als Aulhauser Krüger genannt. Und im Mai 1785 verschied an Schwindsucht “Albinus Frantzius Benedictus Reitz aus dem Aulhauser Kruge”. um 1800 schlug sich ein Kruginhaber Schlomann mit den Baubehörden herum. Und ein Grabstein an der Dorfkapelle bekundet, dass “Johann Heinr. Schlomann Krüger und Besitzer in Aulhausen” am 2. Dezember 1819 im Alter von 66 Jahren starb. Ob der Aulhauser Krug danach noch weitergeführt wurde, ist nicht überliefert.
Lange kann es jedenfalls nicht gewesen sein. Die Hauptverkehrsader war ja nunmehr die “Chaussee”, die jetzige Portastraße/Freiherr-vom Stein-Straße. In seiner günstigeren Lage lief dort das “Gasthaus Hoffmann” dem Krug den Rang ab. Und mit der Fertigstellung der Köln-Mindener Eisenbahn 1847 verlagerte sich der gesamte Ost-West-Fernverkehr auf die Schiene. Aber auch die guten Tage des Chausseehauses Hoffmann waren gezählt. Die Pläne zur Errichtung des Denkmals hatten den raschen Ausbau des Gaststättengewerbes und der Verkehrsinfrastruktur zur Folge. Schon Jahre vor Baubeginn legte eine neue “Actien-Gesellschaft Porta Westphalica” den Grundstein für das Hotel “Der Kaiserhof”, das am ersten Pfingsttag 1891 seinen Restaurationsbetrieb eröffnete, und im Jahre 1894 als “größtes Haus am Platze” seine volle Kapazität erreichte.
Oberkellner Wilhelm Nolting von der Grotenburg am Hermannsdenkmal wurde als erster Pächter eingestellt, nachdem ihm das Fürstliche Verwaltungsamt Detmold bescheinigt hatte, nichts spreche für die Annahme, “dass er das Gewerbe der Gastwirtschaft zur Förderung der Völlerei, des verbotenen Spiels, der Hehlerei oder der Unsittlichkeit missbrauchen werde”. Nolting hatte im Kaiserhof nicht weniger als 10.000 Quadratmeter zur Verfügung, darunter für die touristischen Spitzenzeiten einen großen Terrassengarten und einen Saal mit 2.000 Sitzplätzen.
Die Schankkonzession übernahm Nolting von Wilhelm Horstmann, dem damaligen Inhaber des nun fast 100 Jahre alten Chausseehauses gegenüber. Der hatte dieses im Dezember 1880 von der gerade in Liquidation befindlichen Friedrichshütte gekauft, die das Grundstück ihrerseits im Juni 1872 von der Witwe Hoffmann erworben hatte. Horstmann seinerseits veräußerte seinen gesamten Grundbesitz beiderseits der Chaussee im Jahre 1890 an die Aktiengesellschaft Porta Westfalica. Die musste allerdings auch noch einen westlich der Chaussee gelegenen Schulgarten hinzu erwerben, um ihr Hotelprojekt verwirklichen zu können. Das alles ist so genau dokumentiert, weil es im Laufe des 19. Jahrhunderts mehrfach zu Streitigkeiten zwischen dem jeweiligen Grundstückseigentümer und den ursprünglichen Besitzern, den Kolonen Schonebohm Nr. 1 und Ernsting Nr. 2, über ein Wegerecht an einer Zufahrt zu den hinter dem Grundstück gelegenen Waldparzellen gekommen war. Dieser Streit wurde erst im März 1897 endgültig zu Ungunsten der Aktiengesellschaft entschieden. Über die wechselvollen Jahre und das bedauerliche Schicksal des Kaiserhofs in jüngerer Zeit wird an anderer Stelle dieser Webseite berichtet.
Kurze Zeit führte seine Witwe das Haus weiter. Dann wechselte 1901 als Pächter Wilhelm Nolting vom Kaiserhof herüber. Etwa zur gleichen Zeit entstanden auf dem rechten Weserufer das “Hotel Großer Kurfürst” und das “Hotel Bellevue”, der spätere “Kaiser Friedrich”. Auf der Höhe des Berges kam 1894 das “Hotel zur Wittekindsburg” hinzu. Das Haus wurde von Sommer 1893 an von der Aktiengesellschaft erbaut und sollte nach 25 Jahren an den Forstfiskus übergehen. Der Betrieb oblag anfangs dem Pächter des Kaiserhofs. Das Gasthaus Wittekindsburg ergänzte und ersetzte den anspruchsloseren Schankbetrieb, der sich schon seit der Säkularisierung entwickelt und zeitweilig sogar – zum Ärger der Obrigkeit – die Margarethenkapelle mit Beschlag belegt hatte. Das Wasser wurde dort hochromantisch mit einem Eselsgespann aus der damals noch sprudelnden Quelle geholt.
Und dann gab es noch das beliebte Hotel und Gartenrestaurant “Friedenstal”. Das Gebäude war schon 200 Jahre alt, als die Familie Seeger es 1920 erwarb. Es muss zunächst anderen als gastronomischen Zwecken gedient haben, denn die “Chaussee” mit ihren Durchreisenden entstand ja erst 80 Jahre später. Und die hatten ja das Gasthaus Hoffmann zur Verfügung. In den 1920er-Jahren und danach wurde es aber – wie der Kaiserhof – zu einem beliebten Ausflugsziel und einer stark frequentierten Zwischenstation im Reiseverkehr.
Diese Zeiten sind längst vorbei. Die 5. Generation hat sich anders orientiert, Pachtversuche blieben Episode, das Haus wurde verkauft und Anfang 2021 abgerissen. Inzwischen ist auf dem Areal ein Seniorenheim entstanden. Ob es mit seinen drei Obergeschossen – einem mehr als dem in der Presse vorgestellten Modell, mit dem das Projekt wohl Stadtplanern wie heimischer Bevölkerung schmackhaft gemacht werden sollte – und seinem wuchtigen Baukörper – der kaum Raum für Grünflächen belassen wird – den Charme des alten Gartenlokals entfalten wird, bleibt abzuwarten. So wandelt sich der Bedarf in einer alternden Gesellschaft mit zugleich völlig veränderten Mobilitäts- und Zerstreuungsansprüchen. Und mit alldem wandelt sich auch das Ortsbild, ob es uns passt oder nicht.
Zurück zu den ersten Jahrzehnten nach der Jahrhundertwende. Besonders die großen Häuser mit ihren schönen Terrassengärten wetteiferten in den Folgejahren mit Konzerten, Parkbeleuchtungen, Trachtenfesten, “lebenden Bildern” und großen Bällen, die, oft von den örtlichen Vereinen getragen, Tausende von Besuchern anlockten und die Porta zum Sammelbecken von Ausflüglern und Erlebnishungrigen machten. Auch Familien und Leute mit kleinem Portemonnaie, vor allem Jugendliche, wurden von den großen Häusern nicht verschmäht. Im Sommer kamen viele Schulklassen auf bunt geschmückten Leiter- oder Erntewagen zum Denkmal. Der Kaiserhof bot preiswerte Feldbetten im großen Saal an. Er betrieb sogar ein “Flussbad” in der Weser. Und keines der Hotels verzichtete auf den Zusatz “Pension”.