Willy Ferling

Robert Kauffeld

Aus Feinden wurden Freunde

Auf der Suche nach Geschichten für ein neues Buch über Alt-Barkhausen fragten die Autoren auch Willy Ferling, einen bekannten Barkhauser Bürger, der besonders unter Sportlern ein Begriff war. Willy konnte spannend berichten über frühere Erlebnisse, die nachdenklich stimmen.

Fliegen war seine Leidenschaft, 1922 geboren, war er schon mit 18 Jahren Soldat geworden, wobei ihn weniger die Wehrmacht, dafür vielmehr das Fliegen interessierte. Und das beherrschte er bald auch so, dass er Fluglehrer und Ausbilder wurde und zahlreiche Flugzeugtypen fliegen konnte, darunter die legendäre Ju 87, bekannt als Stuka (Sturzkampfbomber), und das schnelle Jagdflugzeug FW 190.

Gegen Ende des Krieges wurden immer mehr Piloten und auch Blindfluglehrer an der Front gebraucht, und so wurde der junge Pilot bald in Russland und zum Schluss in Italien eingesetzt. Er gehörte zur NSG 9, also einer „Nacht-Schlacht-Gruppe“, die bei beginnender Dunkelheit Angriffe flog und mit umgebauten FW 190-Jägern Bomben auf die feindlichen Linien warf. Es war der 3. März 1945. Ein Datum, das noch viele Jahre nach dem Ende des Krieges für Willy Ferling eine große Bedeutung bekommen würde, das ihm aber auch in Erinnerung geblieben ist, weil er wohl nur durch glückliche Umstände diesen Tag überlebt hat.

Deb Wylder

Fliegerkameraden seiner Einheit trafen sich nach dem Krieg und bekamen auch schließlich Kontakt zu Fliegern, die einmal ihre Feinde waren. Als der Engländer Nick Beale Materialien und Informationen sammelte für den später von ihm herausgegebenen umfangreichen Bildband mit dem Titel „Ghost Bombers – The Moonlight War of NSG 9“, stellte auch Willy Ferling sein Wissen zur Verfügung und sein Flugbuch, das Eintragungen über seine Einsätze enthält. Und Nick Beale hatte auch Kontakt zu dem amerikanischen Piloten Delbert E. „Deb“ Wylder, der beinahe zum Schicksal für Willy Ferling geworden wäre. Wie Mosaiksteine fügen sich die von Nick Beale ermittelten Einzelheiten zusammen zu einem Bericht über diesen Tag im März 1945, der einen jungen Menschen das Leben kostete.

Willy Ferling war mit seinem Kameraden, dem Staffelkapitän Hauptmann Wilzopolski, in Villafranca gestartet. Kurs Südwest. Beide flogen eine FW 190. Der Amerikaner Deb Wylder und sein Kamerad Hausner flogen mit ihren P-47D Thunderbolt in 4000m Höhe südlich Bologna, als sie von ihrer Radarleitstelle den Hinweis bekamen, dass zwei „Indianer“, so wurden deutsche Flugzeuge bezeichnet, irgendwo unter ihnen flogen. Im steilen Flug stürzten sie nach unten und hatten, ohne dass die es zunächst bemerken konnten, bald ihre Gegner vor sich. Hausner eröffnete sofort das Feuer und traf die Maschine von Wilzopolski. Es gab eine Explosion. Aufgrund seiner hohen Geschwindigkeit konnte Hausner nicht mehr ausweichen, kam durch den Explosionsdruck der getroffenen Maschine selbst in Luftnot und musste mit dem Fallschirm aussteigen. Wilder sah noch, dass sich ein Fallschirm öffnete, und dann auch den Aufschlagbrand zweier Flugzeuge. Hausner hatte sich retten können, Wilzopolski starb in den Trümmern seiner Maschine.

Als Wylder auf dem Flugplatz sein Flugzeug übernommen hatte, war ihm aufgefallen, dass eine rote Warnlampe auf dem Armaturenbrett ständig brannte. Die sollte eigentlich nur anzeigen, wenn der Treibstoff zu Ende ging. Beim Start hatte man ihn aber beruhigt, der Tank sei voll. Mit zunehmender Dunkelheit störte dieses Licht aber so sehr, dass Wylder kaum noch etwas außerhalb der Maschine sehen konnte, und er beschrieb: „Es war ein unheimliches Gefühl, mit einer Feindmaschine in der Luft zu sein und sie nicht zu sehen. Ich glaube, dass ich mehr bei diesem Einsatz schwitzte, als bei drei anderen. Aus Wut darüber habe ich die rote Warnlampe mit der Faust zerschmettert.“ Aber dann kam über Funk die Erlösung für ihn: „Du darfst nach Pisa zurückkehren“.
Willy Ferling hat noch seine Bombe abwerfen können. Mit dieser Last wäre die FW 190 kein gleichwertiger Gegner gewesen. Im Tiefflug ging es zurück zum Flughafen nach Villafranca, allein, ohne den Kameraden, der noch kurze Zeit vorher neben ihm geflogen war und mit ihm über Funk gesprochen hatte. „Eine kleine rote Lampe hat mir wahrscheinlich das Leben gerettet“, so vermutet Willy Ferling heute, denn ohne geblendet zu sein, hätte Wylder auf ihn schießen können.
Es waren viele Jahre vergangen, als im August 1997 zwei frühere Feinde Briefkontakt aufnehmen und ihre Gedanken austauschen konnten. Sie hatten die Eintragungen in ihren Flugbüchern verglichen und hatten so erkannt, dass sie sich einst als Feinde im Luftkampf trafen. Jetzt waren sie Freunde geworden und haben noch oftmals Gedanken über den Wahnsinn eines Krieges ausgetauscht.