Schlachtfeld
Fritz W. Franzmeyer
Die Germanen, die Römer und die Porta
Aus der Sammlung Joachim Vonalt, frühere Porta Westfalica
Schon vor Beginn unserer Zeitrechnung siedelte sich im mittleren Weserraum der Germanenstamm der Cherusker an. Seine Nachbarn waren im Westen die Brukterer, im Süden die Marsen, im Norden die Angrivarier und im Osten die Foser (in der vorstehenden Karte nicht vermerkt). Die ethnisch und kulturell durchaus verschiedenen Stämme machten sich gegenseitig immer wieder Gebiete und Jagdreviere streitig. Dies galt insbesondere im Verhältnis der Cherusker und anderer nordwestgermanischer Völker gegenüber den Angrivariern. Diese drangen in das Gebiet der Cherusker ein. Nordöstlich von Minden hielten sie einen weiten Bogen am rechten Weserufer besetzt. So sehr sich die Stämme gewöhnlich befehdeten, so sehr hielten in Krisenzeiten doch immer wieder einige von ihnen zusammen. Soweit sie sich nicht unterwarfen oder arrangierten, hatten sie um Christi Geburt ihren gemeinsamen Feind in den Römern, die nach germanischen Raubzügen in Gallien ihr Weltreich über den Rhein hinaus bis zur Elbe ausdehnen wollten.
Dagegen errichteten die Stämme die aus zahlreichen strategischen Wallanlagen bestehende „Weserfestung“. Sie konzentrierte sich am Weserdurchbruch. Feldherr Drusus bestritt in diesem Raume 11 v. Chr. die erste große “Schlacht bei Arbalo”, in der sich die Cherusker, Sugambrer und Chatten gegen das Römerheer verbündeten. Als erster Römer erreichte Drusus im Jahre 9 v. Chr. die Elbe, konnte das Gebiet aber nicht sichern und starb auf dem Rückmarsch. Es sollte weitere 15 Jahre dauern, bis der römische Oberbefehlshaber in Germanien und Bruder des Drusus, Tiberius, erstmals wieder mit seinen Truppen die Weser überschritt und ein Jahr später die Elbmündung erreichte. Diesmal konnte sogar eine erste Aufteilung „Niedergermaniens“ in römische Provinzen durchgesetzt werden.
Doch im Jahre 9 n. Chr. fühlten sich die germanischen Stämme wieder stark. Sie erhoben sich unter Führung des als Offizier in römischen Diensten stehenden Cheruskers Arminius (fälschlich und deutschtümelnd “Hermann”). In der „Schlacht am Teutoburger Walde“, von der heute vermutet wird, dass es eine Schlacht am Kalkrieser Berge nördlich von Osnabrück war, gelang es ihnen, das auf dem Rückmarsch befindliche Heer des Feldherrn Varus vernichtend zu schlagen und das Land zu befreien. In der Karte ist das vermutete Schlachtfeld noch deutlich weiter südlich lokalisiert.
Doch die Römer gaben nicht auf. Sechs Jahre nach dem Untergang der drei Varus-Legionen machte sich Heerführer Germanicus zu einem Rachefeldzug auf und schlug in der Tat im Jahre 16 das Cheruskerheer unter Arminius bei Idistaviso. Es war die wohl größte Schlacht zwischen Römern und Germanen auf heute deutschem Boden. Doch es war kein überzeugender Sieg. Denn einerseits erlitt auch das Römerheer starke Verluste, und andererseits war Arminius innerhalb kürzester Zeit imstande, sein Heer zu sammeln und sich dem Germanicus „am Angrivarier-Wall“, das heißt ungefähr dreißig Kilometer nördlich von Minden, irgendwo zwischen Weser und Steinhuder Meer“, erneut zu stellen. Leider wurde der Wall bisher nicht gefunden. Diesmal waren Arminius und seine Verbündeten die Überlegenen. Zwar wurde nun auch Germanicus nicht vernichtend geschlagen, doch zu einer Unterwerfung der Germanen in diesem Raum reichte nicht mehr die Kraft, und die Römer traten endgültig den Rückzug an. Die Romanisierung im jetzt norddeutschen Raume beschränkte sich in der Folge auf das Gebiet beiderseits des Rheins; sie wurde durch den Limes gegen Niedergermanien abgesichert.
Die strategische Lage der Porta und Barkhausens
Die wichtigste Quelle für all dieses Geschehen ist der römische Geschichtsschreiber Tacitus. Leider ist er ungenau. Wir wissen nicht, welche strategische Bedeutung die Porta für Drusus, Arminius und Germanicus hatte. Der Bünder Historiker und Heimatforscher Friedrich Langewiesche vermutete, dass die Schlacht bei Arbalo in einem langen, engen Waldweg zwischen Aulhausen und „Dehmer Burg“ stattfand. Das Lager, von dem Drusus aufgebrochen war, wähnte Langewiesche im Barkhauser Feld. Das Winterlager könnte danach bei Gohfeld gelegen haben. Drei Jahre später soll Varus in einem – nicht entdeckten – Lager die Nachricht von einem Aufstand empfangen haben, den es niederzuschlagen galt; sie bewog ihn zu seinem Abmarsch. Die Aufstandsthese ist neuerdings in Frage gestellt worden, mit ihr auch wieder die Verortung der Varusschlacht bei Kalkriese. Einige Historiker und Heimatforscher wähnen das Lager im Raume Vlotho, die meisten aber im Raume Minden/Porta. Trifft die These vom Sommerlager an der Porta zu, dürften die römischen Truppen, von Osten kommend, am nördlichen Rand des Wiehengebirges entlang gezogen sein. Dafür spräche auch, dass sich in Minden die geeignetste Weserfurt befand. Die anfängliche Hoffnung, mit den Barkhauser Grabungen „im Römerlager“ (s. Beitrag ‘Römerlager‘ auf dieser Homepage) sei endlich das Sommerlager des Varus gefunden, wurde inzwischen verworfen. Dazu war das Grabungsareal denn doch zu klein und die Grabungsausbeute – bei aller Imposanz der zahlreichen Einzelfunde – zu gering.
Es ist auch die These vertreten worden, durch die Porta habe der alte Hellweg, den die Römer benutzen mussten, gar nicht verlaufen können, da zwischen steilen Berghängen nur Sumpf zu finden gewesen sei. Noch 753 kamen die Franken unter Pippin III. nur bis „Rimi“ (Rehme), weil ihnen die sumpfige Porta den Weg versperrte. In der Tat musste noch im Jahre 1802 die neue „Minden-Koblenzer Chaussee“ auf einem besonders flachen Teilstück zwischen Barkhausen und Dehme mit dicken Bohlen grundiert werden, weil sich in dem sumpfigen Gelände keine Steinfundamente verlegen ließen. Wegen dieser Beschaffenheit des Bodens, so die These weiter, habe sich der von Bielefeld und Herford führende Weg im Raume Rehme geteilt. Während der eine Zweig, abgesichert durch die Wittekindsburg – auch sie in der Karte verortet –, nach Norden über den Häverstädter Berg geführt habe, so der andere südlich über die Furt bei Uffeln weiter nach Holtrup, Holzhausen, Jakobsberg – hier abgesichert durch das Nammer Lager –, nach Lerbeck und Minden.
Wenn dies so war, so können die römischen Heere die Porta-Enge nicht passiert haben. Dies schlösse jedoch noch nicht aus, dass sie gelegentlich ein Lager – wenn auch eben nicht das strategische „Sommerlager“ – auf Barkhauser Boden aufschlugen. Dafür spräche, dass bei den Grabungen „im Römerlager“ nicht zuletzt Münzen und Militaria zu Tage kamen. Obwohl die These von der dauerhaften Unpassierbarkeit der Porta in früherer Zeit grundsätzlich in Frage gestellt werden muss, könnte den Römern schon durch Arbalo vor Augen geführt worden sein, wie gefährlich die Passage der Porta werden konnte, sodass sie es bei nachfolgenden Feldzügen in der Tat vorzogen, Ausweichrouten zu suchen.
Es ist vermutet worden, dass das spätere Barkhauser Gebiet auch in der Schlacht bei Idistaviso eine Rolle gespielt hat, als Heerlager, während die Schlacht in der Ebene nördlich des Jakobsberges stattgefunden habe. Eine andere These leitet den Ortsname Evesen aus „aviso“ her. Danach wird die Schlacht zwischen Minden und Windheim angesiedelt. Wieder andere lokalisieren sie bei Hessisch Oldendorf. Oder an der Westseite des Ith. Oder sie halten dem Evesen (aviso) ein Eis-(idis)-bergen oder Edessen bei Varenholz entgegen und verlegen so die Schlacht auf die Südseite des Wesergebirges. Man spürt allenthalben die Lust an der Ausdeutung alter Namen, Überlieferungen und landschaftlicher Gegebenheiten, doch Beweiskraft hat keine dieser Deutungen. Fest steht nach dem Text des Tacitus allein, dass die Schlacht vor bergig-waldigem Gelände in unmittelbarer Nähe der Weser stattfand. Wahrscheinlich ist immerhin, dass es der Raum um die Porta war, in dem der Eroberungszug der Römer endgültig gestoppt wurde.
Mit einiger Sicherheit dichterisch ausgeschmückt hat Tacitus das berühmte Streitgespräch, das vor der Schlacht über die Weser hinweg geführt wurde. Stattgefunden haben soll es zwischen Arminius am rechten und seinem unter Germanicus dienenden Bruder Flavus (der „Blonde“) am linken Ufer. Es ging um Treue, Verrat und Selbstverteidigung. Über den genauen Ort der Austragung dieser Wechselrede sagt Tacitus nichts. Wegen ihres Grundsatzcharakters wird vermutet, dass Tacitus hier eine literarische Gelegenheit suchte, zwei idealtypische Standpunkte einander gegenüber zu stellen. Doch wenn sie stattfand: Welcher Ort hätte sich besser geeignet als der zwischen den Porta-Bergen. Hier erleichtert das Echo die Verständigung über den Fluss hinweg. Hier ist die passende Kulisse für eine so hochdramatische Begegnung. Und hier in der Nähe, bei Minden, vielleicht sogar in Aulhausen, überquerte das Heer des Germanicus die Weser.
Grabungsfeld Barkhausen 2008
Mit Metallsonden auf der Suche nach römischen Münzen
und anderen kleinteiligen Fundstücken.