Kriegserlebnis

Fritz W. Franzmeyer

Spätes Kriegserlebnis

Um den Vormarsch der Amerikaner aufzuhalten, hatten die deutschen Truppen nicht nur auf der Freiherr-vom-Stein-Straße südlich der Porta eine Panzersperre errichtet, sondern quer durch das Wedigenstein’sche Feld bis zur Weser auch einen tiefen Graben gezogen. Die Porta war dennoch erobert, der Krieg aber noch nicht vorbei. Während noch die Nachhut der US-Army in ununterbrochener Fahrzeugkolonne über die Landstraße nach Norden zur nahen Pontonbrücke rollt, haben wir Kinder den Panzergraben schon als neues Spielgelände in Besitz genommen. Plötzlich heult ein deutsches Jagdflugzeug heran, und im Nu verändert sich die Szene. Der Tross steht, in langen Sätzen jagen Dutzende von GIs über das Feld und hinein in den Graben. Schon ballert das Bord-MG. Wir drücken uns an die Grabenwand auf der Anflugseite. Nun erreichen uns die ersten Soldaten. Doch nix Chewinggum und Chocolate. Kräftige Arme langen zu und – hopp – finden wir uns draußen auf dem Grabenwall wieder. Der deutsche Jagdflieger hat gewendet, kommt nun von Süden herangebraust. Wieder knattert das MG. Schutzsuchend, aber seltsamerweise ohne allzu viel Angst und vielleicht sogar ein bisschen stolz, wenden wir uns der Tiefe zu. Lehm spritzt aus der Einschlagswand. Im toten Winkel kauert die siegreiche Armee. Und niemand breitet die Arme aus und ruft: „Jump!“ Zugegeben: Der Graben ist voll. Aber ob für uns nicht doch auf ein paar Soldatenschößen noch Platz gewesen wäre?