Hausschlachtung

Robert Kauffeld

Der Hausschlachter

Früher hatten die Hausschlachtungen im Vergleich zu heute einen sehr hohen Stellenwert. So war es auch in Barkhausen. Zu vielen Häusern gehörte ein Stall, in dem ein oder mehrere Schweine gemästet wurden. Das hatte insbesondere einen besonderen Wert während der Kriegs- und Nachkriegszeit. Wenn man die Möglichkeit hatte, ein Schwein zu mästen und zu schlachten, war man als Selbstversorger gut dran, auch wenn man es anmelden musste und dann die Lebensmittelmarken gekürzt wurden. Wunderbarerweise gab es damals Schweine mit zwei Köpfen, siamesische sozusagen. Ein Wunder? Nein. Ein Schwein zu halten, ohne es anzumelden, das war zu gefährlich, denn so ein Schwein quiekt nun mal manchmal. Zwei Schweine zu halten und nur eins anzumelden, das war eine Lösung. Ein paar Würste oder auch Schinken mehr, das musste nicht auffallen, doch die zwei Köpfe musste man schon gekonnt verwerten. Aber man hatte ja einen zuverlässigen Hausschlachter.

Die Hausschlachter übten gewöhnlich einen Handwerkerberuf aus, oftmals waren es Maurer, die insbesondere während der Wintermonate nicht auf dem Bau arbeiten konnten und so Zeit hatten, diese Nebentätigkeit auszuüben.
Oft ging es in den frühen Morgenstunden los. Das Schwein wurde auf den Hof geführt. Dort wartete schon der Schlachter, um das Tier mit dem Schlag auf einen Bolzen oder einem Bolzenschussgerät zu betäuben, bevor es abgestochen wurde.

Das austretende Blut musste, da es nicht gerinnen durfte, in einer Schüssel unter ständigem Rühren aufgefangen werden. Dann wurde das Schwein in einen Trog mit viel heißem Wasser zum Abbrühen gelegt, bevor unter Verwendung einer sogenannten Glocke die Borsten abrasiert wurden.

Das saubere Tier wurde daraufhin mit den Hinterbeinen am Krummholz auf einer Leiter befestigt, die man schräg gegen die Hauswand lehnte. Es wurde vom Schlachter aufgebrochen, um die Innereien herauszunehmen. Danach teilte er mit dem Schlachtbeil das Tier in zwei Hälften, sodass der Körper auskühlen konnte. 

Die Därme, der Magen und die Blase mussten sorgfältig gesäubert werden. Sie wurden für die Wurst gebraucht.

Bevor es dann an das Wursten ging, musste der Fleischbeschauer das Fleisch und die Organe begutachten (Trichinenschau), um es dann zum Weiterverarbeiten freizugeben.
Dann konnte der Hausschlachter das Schwein zerlegen. Leberwurst, Mettwurst, Blutwurst, Sülze und andere Spezialitäten sollten hergestellt werden. Man bereitete in einer Molle die Wurstfüllung zu, bevor Fleischwolf und Wurstfüller zum Einsatz kamen. Schinken und Speck waren in Holzbottichen einzusalzen, um später geräuchert zu werden. Fleisch wurde auch zum Pökeln eingelegt. Die Flomen wurden abgenommen und von der Hausfrau zu Schmalz und Griebenschmalz verarbeitet. Der in jeder Waschküche vorhandene Waschkessel musste dann aufgeheizt werden, um darin Würste zu kochen.

Es war das Geheimnis eines jeden Hausschlachters, mit welchen Gewürzen er die verschiedenen Wurstsorten veredelte. Um die richtige Würze zu finden, musste er – davon war er überzeugt – zwischendurch immer mal wieder seinen Gaumen mit einem Schnaps “neutralisieren”. Und auch die Helfer brauchten diese Flüssigkeit – zur Stärkung.

Die Hausfrau hatte reichlich Arbeit. Alles, was beim Wursten nicht verwendet wurde, musste von ihr verwertet werden. Bratenfleisch war anzubraten und wurde wie auch ein Teil von Leberwurst und Blutwurst in Gläser gefüllt und eingekocht.

Wöpkenbrot ist eine westfälische Spezialität und besteht zur einen Hälfte aus Schweineblut, Brühe, Fleischresten sowie Speckstücken und zur anderen Hälfte aus Roggenschrot, so das Rezept. Wenn aber Fleisch und Speckstücke nur noch in Spuren erkennbar sind – so war es oftmals während der schlechten Zeit –, schmeckt die zu einer Kugel geformte und im kochenden Wasser gegarte Masse wie Schweinblut mit Sägemehl. Macht aber satt!
Natürlich bekamen die Nachbarn eine Leberwurst, eine Schüssel Stippgrütze, manchmal auch etwas mehr von den begehrten Erzeugnissen ab, und die Kinder freuten sich über eine „Pingelwurst“, eine kleine Leberwurst.

Wenn die Plackerei überstanden war, war auch die Zeit der ersten Gaumenfreuden für alle Beteiligten gekommen. Eine große Portion Mett sollte sie erfreuen. Auf frischem Brot oder Brötchen, gut mit Zwiebeln garniert, dazu eine Tasse der kräftigen Fleischbrühe: das war einfach köstlich.
Und bald wurde wieder ein kleines Ferkel in den Stall geführt. Der Kreislauf begann erneut.