Geiselnahme
Robert Kauffeld
Kaum zu glauben: Geiselnahme in Barkhausen
„Villa Tanja“ ein Begriff für Freuden jeder Art unter der segnenden Hand des Kaisers. Hier sollte jeder glücklich werden können, ob er nun Drogen, Waffen oder „nur“ Frauen liebte, ob er verboten um Geld zocken oder zu später Stunde „einen pienen“ wollte. Ein Amüsierbetrieb also, den manche einfach nur Puff nannten. Da saßen in plüschigen Ecken Damen aus aller Welt, zumindest aus Polen, Rumänien und Russland, na ja, einige davon illegal eingeschleust, dafür aber mit großem Herzen und tiefem Ausschnitt, bereit, auch in schwierigen Lagen Lebenshilfe, auf Wunsch sogar erzieherische Hilfen mit Stock und Peitsche zu gewähren. Und das muss man ihnen lassen, sie waren immer passend gekleidet, mal mit kurzem Röckchen, mal dezent in Leder oder auch, wenn medizinischer Einsatz notwendig war, in der knappen Dienstkleidung einer Oberschwester, wie sie auch manch anderem schon bei der Genesung im Krankenhaus einen positiven Schub versetzt hätte.
Da soll es doch Barkhauser geben, die man noch nie hat arbeiten sehen, die aber offensichtlich doch zu Vermögen gekommen sind. Ungeklärt, ob es einem Barkhauser Schlitzohr gelungen ist, mit großen Gewinnen das illegale Glückspiel dieses Etablissements zu ruinieren. Das aber war die Absicht von Gangstern, die am 23. März 1995 die Villa Tanja überfielen und nicht nur das Vergnügungspersonal, sondern insbesondere auch die Gäste in Schwulitäten brachten. Immerhin kann Erklärungsnotstand bei Nachbarn, Freunden oder gar der Ehefrau tiefe seelische Belastungen hervorrufen. Und der gerade erzielte Wohlfühlerfolg eines liebevollen und hinhaltenden Einsatzes des in ständigen Selbstversuchen geschulten Fachpersonals ist schlicht im Eimer.
„Geiselnahme“ hieß es, und schon rückte das SEK Bielefeld, unterstützt von Kollegen aus Münster und Dortmund, an. Die Freiherr-vom-Stein-Straße war längst gesperrt worden, als die Türen des grünen Hauses gesprengt und Blendgranaten eingesetzt wurden. Doch alle, auch die türkischen Gangster, waren schon nach hinten geflohen. Ein 17-jähriger wurde noch in der Nähe geschnappt, die anderen an der A2.
Barkhausen hatte eine Sensation und zumindest die Möglichkeit, noch längere Zeit an dieser Stelle Liebes- und andere Dienste zu empfangen. Mit dem Bau der neuen Brücke war dann Schluss. Aber es soll nicht nur auf der anderen Weserseite Interessantes für Liebhaber geboten werden, für Liebhaber dieser speziellen Kunst.