Dorfkneipe

Robert Kauffeld

Bunt gemischtes aus der Dorfkneipe

Pizzeria, Schnellimbiss, Diskothek, Internet-Cafe, diese Einrichtungen waren noch nicht erfunden. Treffpunkt der Bürger waren die Dorfkneipen. Hier kam man zusammen, um nach des Tages Arbeit seinen Durst zu löschen, aber auch um Informationen auszutauschen, offizielle und geflüsterte. „Es wird gemunkelt, dass …“ Wer mit wem? Und Dorfpolitik wurde gemacht, noch bevor der Gemeinderat tagte.

Morgens trafen sich oft die Unternehmer, und abends, wenn z.B. Franzmeyer Feierabend hatte, die Handwerker und Arbeiter. Ganz früh morgens kamen die Leute aus dem Pütt in Haddenhausen, die Nachtschicht gehabt hatten.
Und was wären die Feuerwehr, die Schützen- und Sportvereine ohne „ihre“ Gaststätte.
Der durstige Bürger erlebte von allem etwas. – Und je mehr Alkohol floss, umso mehr nahm der Spaß zu, wenn auch nicht immer für alle. Man veräppelte sich gegenseitig, knobelte Runden aus, erfand die unmöglichsten Wetten, um wiederum die nächste Runde sicherzustellen, spielte zwischendurch auch mal Skat und erzählte immer wieder Witze. Lachen ist gesund und fördert immer die Stimmung. Und wenn die den Höhepunkt erreicht hatte, dann …. – ja dann geschahen manchmal Dinge, über die uns die Garde der früher mal aktiven Zecher nicht oder nur unvollständig berichten wollte.
Und immer wieder bemerkten wir ein viel sagendes Grinsen.
So hörten wir von den Bürgern, die bei Korten Willem schwer geladen hatten und auf den Heimweg gingen, aber nach Stunden noch nicht angekommen waren. Die Ehefrauen riefen vergeblich bei Polizei und Krankenhaus an und ahnten Schlimmes. Aber es war doch nichts passiert. Die Zecher waren vom Weg abgekommen und auf den Friedhof geraten. Dort lagen sie ganz weich – auf dem Haufen verwelkter Kränze – und schliefen ihren Rausch aus. Fröhlich kamen sie nach Hause, und Fritz trug, so erzählte uns seine liebe Frau, wie ein Sieger noch einen Kranz um den Hals.
Politik, ein Streitgespräch. Karl Nehrmann hielt viel vom Reichspräsidenten Ebert und ärgerte sich über den Bauern Wilhelm Hohmeier, der anderer Meinung war. Das endete damit, dass sich Hohmeier schließlich auf seine eigene Mauer stellen musste, um laut zu rufen: „Ebert ist ein Ehrenmann und Hohmeier ist ein Butzemann“. – Die nächste Runde war fällig.
Wer war wohl der brave Bürger, der immer von seiner Frau aus der Kneipe abholt wurde, die dann aber noch darauf achtete, wie viel ihr Mann bezahlen musste? Seine Lösung des Problems war einfach, er gab dem Wirt vorher schon mal einen Geldschein, der Brave, der sich kaum was gönnte.
„Lina eck mott ute Böxen“, – nein über die Diele zur Toilette, das würde er nicht mehr schaffen, aber das kannte Lina, die Wirtin, schon – und reichte ihm den alten verrosteten Gurkeneimer.
Ein Tänzchen gefällig? Darf ich bitten? Eine leichte Verbeugung und schon ging es los, auch ohne Frauen. Partner(in) war der eiserne Garderobenständer, an dem manchmal auch noch die Mäntel hingen. Und die Polonaise führte alle Zecher über die Diele, den Hof und wieder zurück an die Theke – und dann wieder Prost.
Gesungen wurde aus voller Kehle, manchmal ganz besonders laut. Dann wurde im Keller das „schwarze“ Schwein geschlachtet. Man konnte nie wissen, ob es sich nicht mit lautem Quieken verabschieden würde.
Quiz für alte Barkhauser: Von wem stammen die Sprüche?
„Du bist dümmer als Jesus sein Pferd. Und Jesus sein Pferd war ein Esel.“
„Wer kein Kreuz hat, der trägt den Arsch am Bindfaden“ (beim Skat)
Und das Kompliment an einen Freund:
„Als der Herrgott einst die Welt geschaffen,
schuf er Ziegen, Papageien und Affen,
und damit die nicht allein auf dieser Welt,
hat er dich dazu gestellt“

Diese Frohnatur – jeder kannte ihn – hatte auch einen Spitz, der singen
konnte.
Wenn man ein neues Motorrad bekommen hatte, sollte es natürlich jeder sehen. Und so fuhr Piewitt bei Karl Martens in die Gaststube, umrundete den Ofen, und stellte dann seinen heißen Ofen draußen ab. – Prost Kameraden.
Schützenfest, Reiterfest, Sängerfest, Erntefest, das waren große Ereignisse, an denen „das ganze Dorf“ teilnahm. Heute tanzt keiner mehr den „Achttourigen“ oder ruft „use Ahnebier“. Große Musikkapellen spielten. Einmal sollten zehn Musiker spielen. Die Kapelle verfügte aber nur über acht Spieler und einen, der gerade mal die Tonleiter blasen konnte. Macht nichts, der setzte sich auch dazu, und dann noch einer, der zwar keine Töne spielen konnte aber optisch ins Bild passte. – Honorar für zehn Spieler! Und dann spielten sie „Waldeslust“ – zum Anbucken.
Ja, das waren Zeiten …