Dorfkapelle und ihre Entstehung

Fritz W. Franzmeyer

Wie die Barkhauser Dorfkapelle entstand

Gegen Ende der 20er-Jahre des 16. Jahrhunderts drang die Reformation in den Mindener Raum vor.  Am 13. Februar 1530 verkündete der nach Minden berufene Reformator Nicolaus Krage von der Kanzel in St. Martini die  „Evangelische Kirchenordnung für die Stadt Minden“.

Aulhausen und Barkhausen waren Teil der Martini-Landpfarre. Die Stiftskirche St. Martini war im frühen 11. Jahrhundert gegründet und 1033 von Kaiser Konrad II. urkundlich bestätigt worden. Dem Kollegiatsstift wurde ein Pfarrsprengel zugewiesen, der vom Gebiet der „Urpfarre“ (des Doms) die Teile westlich der Weser zwischen Wiehengebirge und Mindener Wald umfasste. Damit unterschied sich für das Doppeldorf lange Zeit die kirchlich-pfarrgemeindliche von der politischen Zugehörigkeit, denn das Herrschaftsgebiet der Edelherren vom Berge, zu denen es gehörte, wurde erst 1398 dem Fürstbistum Minden eingegliedert.

Gepredigt wurde i. d. R. von unerfahrenen Vikaren. Man konnte deshalb bis ins 15. Jahrhundert nur unregelmäßig und meist nur schlechten Predigten lauschen. Immerhin wurden sie auf deutsch gehalten. Vikare predigten auch an den im späten Mittelalter errichteten Kapellen außerhalb Mindens. Die Barkhauser Dorfkapelle gab es noch nicht. Man war im Dorf also für den Kirchgang auf die Stadtkirche angewiesen.

Doch auf dem Wedegenberge stand ja auch noch die Margaretenkapelle. Die Bewohner beider Teildörfer könnten gelegentlich zur Andacht oder Messe dort hinauf gestiegen sein. Denn ein bestimmter Domherr musste einmal im Monat durch einen Vikare in der Kapelle auf dem Wedegenberg eine Messe halten lassen. Dafür bekam er aus Häverstädt, Barkhausen, Aulhausen, Costedt und Gohfeld Getreide, Futter, Vieh und Geld. Außer an den Domherrn musste Barkhausen/Aulhausen, zusammen mit anderen Orten, bis 1810 noch unmittelbar Abgaben an die „Vikarienkommunität“, also die Gemeinschaft der Vikare insgesamt, leisten.  

Von der Bölhorst aus führte ein „Stationsweg“ zur Kapelle hinauf. Denn die Margaretenklus war vom 14. Jahrhundert an bis zur Reformation, in geringerem Umfang auch noch danach, ein Ziel von Pilgern. Diese wurden anfangs lange von Franziskanermönchen betreut. Von Minden am Bölhorster „Wartturm“ vorbei über Häverstädt zur Kapelle bewegte sich oft ein „Strom von Menschen“. Von Barkhausen aus aber konnte man nur nach mühseligem, halbstündigem Aufstieg über den Kapellenweg hingelangen. Er hat seinen Namen in der Tat nach der Margaretenklus und nicht nach der Dorfkapelle, an der er ebenfalls vorbeiführt. Noch bis weit in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war das obere Steilstück des Kapellenweges als „Gottlob“ bekannt, was sicher als Stoßseufzer der Erleichterung nach fast geschafftem Aufstieg zu verstehen war.

Auch den Barkhausern wurde die neue lutherische Lehre verordnet. Sie hatten dabei praktisch keine Wahl, denn an der Zugehörigkeit zum Pfarrsprengel St. Martini-Land hatte sich nichts geändert. Sie werden indes aufnahmebereit gewesen sein, denn der Kampf um die Bekenntnisse war für sie zugleich ein sozialer Kampf, bei dem sie ihre Interessen durch die Reformatoren vertreten sahen. Die Margaretenklus aber blieb katholisch. Schon deshalb brauchte das Dorf eine neue, bessere seelsorgerische Betreuung. Diese oblag dem älteren der zwei Martini-Pfarrer. Sie war zunächst nur in Minden möglich.

Früher oder später musste aber der Wunsch nach einer Kapelle in der Ortsmitte und in Friedhofsnähe entstehen wo auch Taufen und Bestattungen bequemer durchführbar waren und wo man – vor allem – seines Lebens halbwegs sicher sein konnte. Denn in Minden oder auf dem Wege dahin war es zur Zeit der Reformation und in den Jahrzehnten, die ihr folgten, nicht ungefährlich. Um 1520 tobte um Minden herum die „Hildesheimer Stiftsfehde“. Auf sie folgte die Pest. Die Landstraßen wurden von Raubrittern heimgesucht.1534 gerieten die Bauern in eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen dem damaligen Wedigensteiner Pfandherrn Schlepegrell und der Stadt Minden. Und Johann von Münchhausen, Besitzer von Schloß Haddenhausen, welcher sich der aus dem Dom, aus St. Simeonis, St. Martini, St. Johannis und St. Mauritz vertriebenen katholischen Geistlichen angenommen hatte, führte jahrzehntelang bewaffnete Fehde gegen Minden.

Damit war auch Barkhausen als evangelische Martini-Kapellengemeinde gefährdet. Allemal zu unsicher wurde der Weg zum Gottesdienst nach Minden. So erhielt die gegen Mitte des sechzehnten Jahrhunderts errichtete Kapelle einen ausgesprochen wehrhaften Charakter, hochgelegen, mit dicken Mauern und schießschartenartigen Fenstern. Die Margaretenklus war in diesen Jahrzehnten verwaist. Sie wäre sicherlich dem Verfall preisgegeben gewesen, hätte sich nicht zu Anfang des 17. Jahrhunderts unversehens eine neue Nutzung ergeben. Im Mai 1618 starb, nach 54 Jahren Seelsorge in Hausberge, der dortige Pfarrer Bilderbeck. Er hatte lange am katholischen Bekenntnis festgehalten, war aber schließlich doch zum Luthertum übergetreten und hatte damit auch den ihm anvertrauten Kirchenbau in die protestantische Kirche eingebracht. Aber nicht alle Gemeindemitglieder waren ihm gefolgt. Diese treuen Katholiken hatten aber nun kein Gotteshaus. Da entsannen sie sich der seinerzeit den Katholiken zugesprochenen Kapelle auf dem Barkhauser Berge und scheuten fortan nicht den mühsamen Weg, um sich dort zur Messe zu versammeln.