Dichter

Fritz W. Franzmeyer

Dichter über die Porta

Heinrich Tribbe beschreibt um 1460 die Porta als so wunderbar, dass, wie er meinte, Solinus, der Künder der Weltwunder, die Porta, hätte er diese gekannt, unter jene gereiht haben würde. Der große Kurfürst, 1650 in Minden, hatte „nie eine reizendere Gegend gesehen“. Robert Schumann nennt die Porta und ihr Umland 1850 „liebliche Gegenden“. Da wird man die Enttäuschung eines Albert Bitzius, alias Jeremias Gotthelf, der sich 1821 erhofft hatte, „die Weser in kühnem Drang zwischen zwei Felsen durchstürzen zu sehen“, getrost als alpenverwöhnten Realitätsverlust einstufen dürfen – oder annehmen müssen, Bitzius habe Anton Gottfried Schlichthaber allzu wörtlich genommen, der 1752 von der Weser bei Porta geschrieben hatte, dass „dieselbe mitten durch den Berg fliesset“. Annette von Droste-Hülshoffs Mangel an Begeisterung für die Porta Westfalica (sie mache „nur den letzten zweifelhaften Beau jour der bereits verblichenen Weserschönheit“ aus) schreiben wir innerwestfälischen Eifersüchteleien um die Schönheitskrone der Region zu. Trübsal blasen sollten wir auch nicht über die 107. Xenie von Goethe und Schiller, in der die beiden Dichter die Weser sprechen lassen: „Leider von mir ist nichts zu sagen, auch zu dem kleinsten/ Epigramme, bedenkt! geb ich der Muse nicht Stoff.“ Denn ebendiese Muse gab ihnen in der 168. unveröffentlichten Xenie zum Stoffe Weser und Elbe ein: „Von der Sonne fliehen wir weg, die Grazien scheuen/ Unsre Ufer, von Thors krächzenden Stimmen geschreckt.“ Wobei wir gerne zugeben wollen, dass unsere zwei Felsen sich nicht wie Scylla und Charybdis in einen ewig blauen Himmel recken und dass die Poesie unserer Landschaft mehr die der Wassernixen, des Erlkönigs und des Rattenfängers ist. Die Undine eines Friedrich de la Motte Fouqué ist eine Mindenerin. Erlkönig wie Rattenfänger – auch er, in aller Bescheidenheit, trotz Hamelner Namens eine Art Mindener Kind – hat der Musenfürst höchstpersönlich ja bekanntlich als Gegenstände seiner Dichtkunst nicht verschmäht. Nicht verschmäht hat er überdies den freundschaftlichen Umgang mit dem Mindener Arzt und Herausgeber des „Mindener Sonntagsblattes“, Nikolaus Meyer. Und dass sich unser zuweilen schwerblütiger, aber immer höchst lebendiger Menschenschlag sehr wohl auch mit dem heiteren Musenklima Weimars verträgt, zeigt sich schließlich daran, dass der am großen Weserbogen aufgewachsene Dichter unserer Heimathymne, des „Weserliedes“, Franz Ferdinand – damals noch nicht „von“ – Dingelstedt, 1857 zum Generalintendanten des Weimarer Theaters berufen wurde.