Dörfliche Belange
Fritz W. Franzmeyer
Bürgerleben, Obrigkeit und Militär
Barkhausen und Aulhausen waren bäuerlich geprägte Orte. Die Obrigkeit griff oft in die Lebensbedingungen der Bauern ein. Zu den ältesten Dokumenten zählt die Schenkungsurkunde, mit der Friedrich der Große den Bauern in den Anliegerorten des Wiehengebirges sogenannte Schnedden oder Schnetten zur Verfügung stellte. Das sind schmale, vom Kamm bis zum Fuß der Nordseite des Gebirgszuges reichende Waldstücke, welche die Bauern forstlich bewirtschaften konnten, aber auch pflegen mussten. (Dokumentquelle: Kommunalarchiv Minden).
Nach der sogenannten Bauernbefreiung im frühen 19. Jahrhundert konnten die Bauern nach Zahlung einer “Ablösung” nach eigenem Gutdünken über ihre Felder verfügen und brauchten auch keine Hand- und Spanndienste mehr für den Grundherrn – in Barkhausen vor allem Mindener Domkapitel – zu leisten. Die Ablösung fiel den Betroffenen oftmals schwer und zog sich zum Teil bis in die 2. Jahrhunderthälfte hin (Dokumentquelle: privat).
Im Laufe der Jahrhunderte hatte sich eine vielfach unsystematische Struktur der Eigentums- und Bewirtschaftungsrechte an den Feldern herausgebildet, die für die Beteiligten beschwerlich und unökonomisch war. So kam es gegen Ende des 19. Jahrhunderts landesweit zu einer amtlich verordneten ersten Flurbereinigung, die damals “Zusammenlegung” genannt wurde.
(Dokumentquelle: privat).
Im Laufe des 19. Jahrhunderts fassten in Barkhausen mehr und mehr auch große und kleine Gewerbebetriebe Fuß. Die Gewinnungsbetriebe – Kiesgruben, Steinbrüche, Erz- und Kohleschächte – sowie darauf aufbauende Produktion – eine Eisenhütte – griffen stark in das Landschftsbild ein und führten zuweilen auch zu Konflikten mit den Bauern. Im Interesse des vom Staat definierten Gemeinwohls wurden z. B. Enteignungsbescheide erteilt, als für den Transport der Kohle vom Schacht Laura in Zollern zur Eisenhütte und zur Fähre quer durch die Aulhauser Felder eine “Pferdebahn” gelegt werden sollte. Das Projekt wurde aber nicht verwirklicht (Dokumentquelle: privat).
Seit 1814 herrschte in Preußen allgemeine Wehrpflicht. Die meisten Barkhauser Wehrpflichtigen gehörten einem Regiment an, das 1813 gegründet worden war und unter verschiedenen Namen bis 1919 existierte. Um 1870 hieß es “Zweites Westfälisches Infanterie-Regiment Nr. 15 Prinz Friedrich der Niederlande” und wurde von Oberst Eugen von Delitz geführt. Es war zum größten Teil in Minden stationiert, wo ihm im Glacis auch ein Denkmal gesetzt ist. Das Militär spielte in Preußen und im Kaiserreich eine herausragende Rolle. Wie man sich dort benahm, bestimmte auch den Leumund im zivilen Leben. Insofern wird das makellose “Führungs-Attest”, das dem Musketier Friedrich Ernsting aus Barkhausen im September 1871 ausgestellt wurde, ihm im Gemeindeleben, im Umgang mit Behörden und im Beruf nicht wenig hilfreich gewesen sein (Dokumentquelle: Privat, Wikipedia).
Das 15er-Regiment nahm auch an allen großen Kriegen teil, die im Laufe seines Bestehens geführt wurden. Während in den späteren Kriegen viele Barkhauser fielen, scheinen, wie aus einer Gedenktafel in der Barkhauser Kirche hervorgeht, in den Befreiungskriegen 1813-1815 alle aus dem Dorf Eingezogenen wie durch ein Wunder überlebt zu haben. Dies, obwohl sie an vielen verlustreichen Schlachten und Gefechten teilnahmen, so bei Blankenfelde, Dennewitz, Leipzig und Waterloo. Die Schlacht bei Leipzig forderte rd. 100.000 Soldatenleben, Waterloo 53.000. Dabei müssen sich Teile des Regiments so hervorgetan haben, dass sie von Oberst Hiller gegenüber der Heeresführung ausdrücklich gelobt wurden. Den Füsilieren des Regiments fiel sogar die auf der Flucht befindliche Staatskarosse Napoleons in die Hände. So hatten die 15er denn auch die Ehre, am 18. Oktober 1815 an der Siegesparade auf dem Pariser Marsfeld teilzunehmen (Quelle: Wikipedia)
Zu Kaisers Zeiten fanden auch in unserer Gegend gelegentlich Manöver statt. Zum “Kaisermanöver” im September 1898 wurden die Bauern, Gastwirte und wohlhabenden Bürger zu Hilfsdiensten und zur Bereitstellung von Quartieren verpflichtet, natürlich gegen Entgelt. Dazu wurden Listen aufgestellt. Aus ihnen geht hervor, wer was zu leisten hatte und wie hoch im einzelnen die Vergütung etwa der “Vorspanngestellung” durch die Bauern und Gutsbesitzer war (Dokumentquelle: Kommunalarchiv).
Grundbuch- und Katasterämter schufen im Zuge der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts Eindeutigkeit und Rechtssicherheit in den Eigentumsverhältnissen an Grund und Boden. Das war insbesondere für die Bauern mit ihren ausgedehnten Feldern wichtig. Doch in der Lage an einem mäandernden Fluss standen die Dinge nicht ein für allemal fest. So konnte sich um die Jahrhundertwende Landwirt Friedrich Witthaus darüber freuen, dass ihm angeschwemmtes Land an der Weser zugesprochen wurde. Doch die Vermessung und grundbuchamtliche Eintragung begründete für ihn zugleich eine höhere Steuerlast (Dokumentquelle: Privat).
Die Schwerindustrie und die Gewinnungsbetriebe im Ort boten spektakuläre Erlebnisse für die Ortsbewohner. Sie konnten aus sicherem Abstand das Glutinferno beim regelmäßigen Abstich am Hochofen bewundern, mussten aber auch die ohrenbetäubenden Sprengungen in den Steinbrüchen erdulden. Das Pulver musste nach amtlichen Vorschriften gelagert werden (Dokumentquelle: Kommunalarchiv).
Um die Wende zum 20. Jahrhundert wurde auf dem Wittekindsberg das Kaiser-Wilhelm-Denkmal gebaut. Zur Einweihungsfeier am 18. Oktober 1896 legte die Provinz Westfalen großen Wert auf breite Resonanz und besten Eindruck bei den zahlreichen Ehrengästen. Dazu wurden auch die Schulen, Vereine und unabhängigen Bürger mobilisiert, ja verpflichtet. Aber glaube man nicht, man hätte sich nach Belieben an die Straße stellen können. Nein, es gab an der Wegstrecke des kaiserlichen Konvois vom Bahnhof zum Denkmal einen genauen Aufstellungsplan mit ebenso genauen Zeitvorgaben, der strikt zu beachten war. (Dokumentquelle: Kommunalarchiv).
Um 13:30 Uhr war das Spektakel für das gemeine Spalierpublikum vorbei. Da begann die feierliche Einweihung des Denkmals. Auch dieses üppige Programm war akribisch ausgearbeitet. Man stelle sich nur vor: 600 bis 700 Posaunen huldigten hoch oben auf dem Berge dem Kaiserpaar. Das muss weit über Minden hinaus hörbar gewesen sein.
Dem Kaiser und seiner Entourage sowie den bürgerlichen Ehrengästen sollte nach den Feierlichkeiten ein Festessen geboten werden. Wo? Natürlich im Hotel der Kaiserhof, das noch gar nicht lange stand. Zwar gab der Kaiser den Veranstaltern von der Provinz Westfalen dann doch nicht die Ehre, doch das Essen fand statt – mit erlesenem Menü (Dokumentquelle: Stadtarchiv Porta Westfalica). Wenigstens war die vorzeitige Abreise des Kaisers vorher bekannt und ergab sich schon aus dem Programm. Das ließ den enttäuschten Gästen Zeit, Ersatz zu finden: Sie huldigten ihm beim Mahle einfach “in effigie”, d. h. sie hoben ihr Glas auf sein aufgestelltes Bild.
Der Kaiserhof wurde in der Folgezeit zum ersten Haus am Platze. Mit seinem großen und kleinen Saal bot er beste Möglichkeiten für Großveranstaltungen und Konzerte, aber auch für Familienfeiern und Vereinstreffen. So probte und konzertierte dort auch der Männergesangverein Wittekind (Dokumentquelle: Privat).
Mit dem Denkmal, dem Kaiserhof und dem aufblühenden Tourismus entwickelte der Barkhauser Gemeinderat das Bedürfnis nach gesteigerter Wahrnehmung im Lande. Der Name Barkhausen genügte ihm nicht mehr. Ein attraktiveres Bei- und Leitwort sollte her. So stellte er in den 1920er-Jahren den Antrag auf amtliche Umbenennung in “Porta-Barkhausen”. Schulrektor Dr. Heinrich Hollo verfasste eine ausführliche Begründung. Natürlich wollte Hausberge nicht nachstehen, aber auf keinen Fall seine althergebrachte Ortsbezeichnung “Hausberge” an die zweite Stelle gerückt sehen. So einigte man sich denn nach vielem Hin und Her auf “Barkhausen a. d. Porta” und “Hausberge a. d. Porta” (Dokumentquelle: Kommunalarchiv).