84th Infantry Division
The 84th Infantry Division in the Battle of Germany
November 1944 - May 1945
by
Lt. Theodore Draper
Maps and Drawings by Sgt. Walter H. Chapman
Foreword by Major General A. R. Bolling
The Viking Press. New York MCMXLVI [1946]
Kapitel XIII [Auszug]: Über die Weser
Im gesamten Vormarsch vom Rhein zur Elbe war die Querung der Weser vermutlich die wichtigste und schwierigste Einzeloperation. Es war unmöglich, dafür so detaillierte Pläne auszuarbeiten und genaue Vorbereitungen zu treffen, wie es sich so erfolgreich für die Überquerung der Ruhr bewährt hatte. Auch stand nicht die überwältigende Kräftekonzentration wie bei der Rhein-Querung zur Verfügung.
Drei größere Probleme waren zu lösen. Erstens war es wiederum unmöglich, die Querung auf breiter Front anzugehen. Ursprünglich war geplant, nahe der gesprengten Brücke bei Minden (Karte 13) überzusetzen. Sie hätte von den Ingenieuren als Basis für eine neue Brücke genutzt werden können, und es hätte sich für uns eine breite Front vom Wesergebirge bis nach Minden ergeben. Aber in Minden waren die Briten. Wir mussten deshalb zwischen einer engen Front entweder auf der Nord- oder der Südseite des Wesergebirges wählen.
Zweitens mangelte es an Ausrüstung. Die 84ste hatte keine eigene Ausrüstung für Fußgängerbrücken, und die Fußgängerbrücken-Kompanie des 909. [Feldartillerie-Bataillons], welche die 5. [Bewaffnete Division] unterstützte, war die einzige Fußgängerbrücken-Einheit in der Region. Das 554. Schwere-Ponton-Bataillon, immer noch in der Nähe des Rheins, lag als einzige weitere Brückenbau-Einheit 100 Meilen [161 km] zurück. Am Morgen des 5. April musste General Bolling beim XIII. Korps und bei der 5. Bewaffneten vorstellig werden, um die Hilfe der Ingenieure von der 22. Bewaffneten [Division] zu erlangen und mit der nötigen technischen Ausrüstung versorgt zu werden. Sofort nach seiner Rückkehr berief er ein Treffen der Leiter der Kampfeinheiten ein, und es wurden die Pläne für die Flussüberquerung fertiggestellt.
Drittens hatte man es mit schwierigem Gelände zu tun. Südlich von Minden biegt die Weser in eine Hufeisenkurve ein. Unmittelbar oberhalb der Kurve kreuzt das Wesergebirge, eine ziemlich hohe, stark bewaldete Bergkette, den Fluss. Fluss und Bergkette bilden fast einen rechten Winkel. Auf dem westlichen Ufer gibt es eine schmale Passage zwischen Fluss und Berg, nicht aber auf dem östlichen. Am Westufer geht nur eine einzige Straße durch die Berglücke, und soweit sie südlich des Berges verläuft, ist sie vom Ostufer aus unter voller Beobachtung. Ungefähr drei Meilen westlich des Flusses kreuzt noch eine weitere Straße die Lücke [gemeint sein kann nur: die Bergkette].
Bis zur Weser hin bewegten wir uns auf der Südseite des Wesergebirges vorwärts, und von dieser Seite aus versuchten wir auch unsere erste Überquerung. Am Morgen des 5. April fuhr das 1. Bataillon der 335. [Division] mit Lastwagen in der Nähe von Dehme auf. Das Bataillon plante, von dort aus zu Fuß die Berglücke zu passieren und um 10 Uhr vormittags beim Ort Barkhausen die Querung zu vollziehen. Die Lastwagen kamen bis Dehme, doch die Überwachung durch den Feind war zu gut, als dass sie hätten weiter kommen können. Ein Kundschafter berichtete: “Die ganze Hölle brach los, als das erste Bataillon die Lastwagen verließ. Der Feind hatte nördlich und südlich der Bergkette auf dem Ostufer des Flusses eine Reihe von 20-mm- und 88-mm-Kanonen und schwere Mörser in Stellung gebracht. Die Überwachung war perfekt. Sie nahmen Technik-Laster und andere Fahrzeuge aufs Korn wie Enten auf einem Teich. Bergkette und Ostufer des Flusses waren mit Heckenschützen durchsucht.
Die Weser-Überquerung
Die tatsächliche Überquerungsstelle, Barkhausen, lag unmittelbar nördlich des Wesergebirges. Die nördliche Grenze des Brückenkopfes war die Landstraße von Minden nach Röcke, die südliche Grenze die Autobahn. Von einem ablauftechnischen Standpunkt aus betrachtet, war dies keine besonders geeignete Stelle für die Querung, weil man sich den Brücken über weiches Gelände nähern musste. Von einem taktischen Standpunkt aus war es jedoch die beste verfügbare Stelle überhaupt. Nur von den Flanken her war der Feind in der Lage, den Brückenkopf gezielt unter Feuer zu nehmen, und das Wesergebirge schützte die Flanken, sobald die Truppen über den Fluss gesetzt hatten. Ein handfester psychologischer Vorteil spielte uns in die Hände. Die “logische” Überquerungsstelle war bei Minden oder sonst südlich des Wesergebirges in direkter Linie unseres Vormarsches. Durch die Wahl einer Stelle weiter ab von Minden und doch nördlich des Wesergebirges war es möglich, an einem Ort durchzustoßen, der unter weniger Verdacht stand als jeder andere.
Die 335. war ausgewählt worden, den Brückenkopf zu bilden. Ihr 1. Bataillon war bestimmt worden, als erste in Sturmbooten überzusetzen, das Ostufer zu konsolidieren und danach im Zentrum des Divisionsgebietes loszuschlagen. Ihr 3. Bataillon würde ebenfalls in Sturmbooten übersetzen und sich dann nach Süden wenden. Mit diesen zwei Bataillonen im Brückenkopf könnten die Techniker eine Fußgängerbrücke und eine Versorgungsbrücke für die Infanterie errichten. Daraufhin würde das 2. Bataillon übersetzen und den nördlichen Teil des Einsatzgebietes frei machen. Das 3. Bataillon hatte zusätzlich den Befehl, so schnell wie möglich die Autobahn zu überschreiten, um dann das Gebiet zwischen Autobahn und Fluss frei zu bekommen.
Um 5 Uhr morgens des 6. April, im Schutze der Dunkelheit, begann das 1. Bataillon in Sturmbooten überzusetzen, die von den 309er-Techniktruppen herbeigebracht worden waren. Bei Barkhausen fällt das Westufer flach zum Flussbett ab, sodass das Wassern der Boote leicht gelang. 35 Boote bildeten die erste Landeeinheit. Sie bestand aus den Kompanien A und C.
Die Luftausnahme zeigt, wo die alliierten Truppen die Weser überquert haben. Aus “Die Weserlinie” von Hermann Kleinebenne aus Petershagen.
Diesmal war die Überraschung perfekt. Die erste Welle landete am feindlichen Ufer, ohne dass ein einziger Schuss fiel. Es war gegen 05:30 vormittags. Eine deutsche 20-mm-Kanone feuerte gelegentlich südlich der Querungsstelle, aber offensichtlich hatten die Schützen keine Ahnung davon, dass gerade eine Überquerung stattfand, sonst hätten sie nicht so erratisch geschossen.
Kaum war die Truppe wieder auf festem Boden, kam es zu einigen Vorfällen. Die zwei Kompanien waren die ungefähr 150 Yards [137 m] vom Ufer bis zur Straße vorgedrungen und stießen in das Dorf Lerbeck vor. Ein deutscher Wachposten, der neben einem zweiten deutschen Soldaten stand, rief: “Halt!” Cpl. [Korporal] Burley A. Nichols war am nächsten dran. Er fürchtete, dass, wenn er schösse, sein Schuss den Feind im ganzen Gebiet alarmieren würde. Stattdessen zerbrach er seinen Karabiner auf dem Kopf des Wachpostens. Dann beugte er sich nieder, ergriff das Gewehr des Deutschen und wiederholte damit die Prozedur beim zweiten Deutschen. Pfc. [“Private first class”, niederster Rang für junge Soldaten in der US-Army] Richard C. Ehmann ging zu Boden, als ein feindliches Maschinengewehr das Feuer in seine Richtung eröffnete. Eine deutsche Handgranate rollte ihm über die rechte Hand. Ehmann warf die Granate weg und sich zu Boden, die Explosion erwartend. Sie folgte rasch. So auch ein Schrei. Offenbar war der Deutsche durch seine eigene Granate getroffen worden. Im übrigen war Lerbeck einfach. Morgens gegen 05:45 Uhr hatte das ganze 1. Bataillon über den Fluss gesetzt.
Das 3. Bataillon begann damit um 06:10 Uhr, ebenfalls in Sturmbooten. Das Überraschungsmoment wirkte weiter zu unserem Vorteil. Gegen 06:30 Uhr war das Bataillon fast vollständig drüben, ohne Gegenwehr. Die letzte Gruppe war gerade auf dem Wasser, als der Feind aufwachte. Maschinengewehre, 20-mm-Flak, Mörser und zwei 128-mm-Eisenbahn-Kanonen schossen sich auf die Querungsstelle ein. Trotz des schweren Feuers gelang bis 06:35 der vollständige Übergang ohne Verluste.
Sofort begann dann das 2. Bataillon überzusetzen, obwohl nun der Feind mit allem dagegenhielt, was er hatte. Die Morgensonne war gerade dabei durchzubrechen. Das meiste deutsche Artilleriefeuer kam vom Eisenbahndamm über dem Ostufer der Weser, nördlich der Querungsstelle. Die Eisenbahnkanonen verursachten die größten Probleme. Der 2. Zug der Kompanie C des Panzerbrecher-Bataillons 638 wurde in den Norden des Brückenkopfes geschickt, um von dort auf alles Feindliche zu feuern, das sich nach Süden bewegte. Die Panzerbrecher feuerten 30 Runden und schalteten beide Eisenbahnkanonen aus, dazu 15 Wagen mit Munition und Versorgungsmaterial sowie ein Treibstoffdepot. Zur gleichen Zeit wurden am nahen Ufer Maschinengewehre in Stellung gebracht, welche die Flussüberquerung schützen sollten. Durch Dauerfeuer zwangen sie die gegnerischen Maschinengewehrstellungen zu ungezielten Schüssen. Es wurde festgestellt, dass die Deutschen zwar einen ziemlich guten Kampf geliefert hatten, als es darum ging, das Übersetzen zu verhindern, dass sie aber bereitwillig aufgaben, als sie auf die Gegenwehr stießen. Auch das 2. Bataillon verlor bei der Überquerung nicht einen einzigen Mann, was ungemein für die Wahl der Querungsstelle spricht.
Während das 2. Bataillon über den Fluss setzte, drang das 1. vor und erweiterte den Brückenkopf. Auf der Straße von Lerbeck nach Nammen wurde das 1. Bataillon vom ersten feindlichen Gegenangriff getroffen. Drei mittlere Panzer, eine selbstfahrende Kanone und etwa 40 deutsche Infanteristen waren beteiligt. Kompanie A suchte Schutz in den verstreuten Gebäuden an der Straße. Während die selbstfahrende Kanone die Häuser beschoss, versuchte die deutsche Infanterie, in diese vorzudringen. Nachdem etwa ein Dutzend erschossen waren, zog sich der Rest in den Norden von Nammen zurück, zusammen mit der selbstfahrenden Kanone und den Panzern. Kompanie A zog in Nammen ein, befand es leer, und die Männer fanden ihren ersten Schlaf, wenigstens für ein paar Stunden innerhalb von zwei Tagen.
Auch die Brücken nahmen Gestalt an. Die Arbeiten an der Fußgängerbrücke und an der Lastenbrücke, 150 Yards [137 m] voneinander entfernt, begannen um 11:30 Uhr, unter feindlichem Artilleriefeuer.
Die Lastenbrücke wurde um 19:30 Uhr durch das 171. Ingenieur-Bataillon (C) für alle Lasten bis zu 2 ½-Tonnern fertiggestellt. Es gab keine besonderen technische Probleme. Die Srömungsgeschwindigkeit des Flusses betrug schätzungsweise drei bis vier Fuß pro Sekunde, zu wenig, um irgendwelche Schwierigkeiten zu bereiten. Die Fußgängerbrücke, errichtet durch das 22. Bewaffnete Ingenieur-Bataillon, wurde um 21:00 Uhr fertig. Es erwies sich, dass die Herstellung der Zufahrten zu den zwei Brücken schwieriger war als die der Brücken selber. Das Ufergelände war weich, und man musste Lastwagenladungen von Ziegeln und Schutt aufschütten, um ein Fundament für die Zuwegung zum Ufer zu legen.
Das Tagespensum des 1. Bataillons war noch nicht erledigt. Sein nächstes Ziel war Kleinenbremen, etwa 6 Meilen von der Weser entfernt (Karte 13). Es wurde vermutet, das ein deutsches Infanterie-Bataillon den Ort halten würde. Kompanie A marschierte bis in Sichtweite auf Kleinenbremen zu, hielt aber vor dem Ort an, weil 800 Yards freies Feld am helllichten Tag ohne Panzer und Artillerieunterstützung abgedeckt werden mussten. Doch vor Eintritt der Dämmerung stießen drei leichte Panzer der Kompanie D vom 771. Panzer-Bataillon zur Infanterie und schoben sich eine halbe Meile nach Nordwesten vor, um über einen breit gelagerten, kahlen Hügel anzugreifen und so einer deutschen Panzerabwehrkanone auszuweichen, die unten an der Straße imponierte, die in den Ort führte. Die Schützen der Kompanie C, die schweren Maschinengewehre der Kompanie D und die drei Panzer eröffneten das Feuer aus allen Rohren. Das Gros des Feindes zog sich in Richtung Bückeburg zurück. Wer zurück blieb, wurde schnell erledigt. Das 1. Bataillon zog sich für die Nacht in Kleinenbremen zusammen. Das 3. Bataillon stand südlich vom Brückenkopf und erreichte sein Ziel, die Autobahn, vor Anbruch der Dunkelheit. Das 2. Bataillon schaffte es bis zur Straße Minden – Röcke, nahe bei Röcke.
Bis zur Nacht des 6. April wurde der Weser-Brückenkopf gesichert. Er war ungefähr sechs Meinem tief und drei Meilen breit. Eine vollständige Kampfmannschaft war sicher übergesetzt, und zwei wichtige Brücken waren in Betrieb. Die 335ste nahm am 6. April mehr als 1.400 Gefangene und eroberte große Waffen- und Munitionslager aller Art. Die Kanonen des Feindes, die tags zuvor für die Schwierigkeit beim Überquerungsversuch verantwortlich gewesen waren, wurden lokalisiert und neutralisiert. Das nächste große Ziel war die Stadt Hannover am Fluss Leine, etwa 30 km entfernt.
(Übersetzung aus dem Englischen und Erläuterungen in Klammern: Fritz W. Franzmeyer)
Anders als die Karte gehören die Fotos nicht zum Originalbericht und wurden hinzugefügt.